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Ein chinesischer Teufel?

Autorenbild: Hans-Jürgen WeissbachHans-Jürgen Weissbach

In früheren Blogbeiträgen haben wir die doppelgesichtige gehörnte Clowns- und Wolfsfigur auf dem Bild von Taring Padi zum einen als Symbol der 1965/66 verfolgten und ermordeten Angehörigen der chinesischen Minderheit im Land gedeutet (der gelbgesichtige Clown steht auf einer Chinesin mit Kind und einer der Soldaten hält ihm ein Gewehr vor den Bauch), zum anderen als Symbol einer aggressiven neoimperialistischen chinesischen Außenpolitik, deren Entstehung Christopher Hill-Smith 1999 in einem Hongkong-Film als Reaktion auf westliche Politik interpretiert hat. Zur Zeit der Entstehung des Bildes um 2001 war Jian Zemin KP-Vorsitzender und Präsident Chinas: ein wirtschaftsliberaler Hardliner, der unmittelbar nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz im Juni 1989 an die Macht gekommen war und dieses Gemetzel als notwendige Maßnahme zur Stabilisierung des Staates verteidigte.


Nun gehen wir einen Schritt weiter und erkennen auch Ähnlichkeiten der Figur mit den häufig doppelgesichtigen Darstellungen des Iblis, des Inbegriffs des Teuflischen im Islam. Iblis, der älteste Dschinn, ist nicht etwa ein mächtiger Gegenspieler Gottes im Sinne eines manichäischen Weltbildes, sondern ein Feind des Menschen wegen seiner Überheblichkeit. Als Gott ihn zusammen mit den Engeln auf die Probe stellte und ihm den Befehl erteilte, sich vor Adam niederzuwerfen, wurde er widerspenstig in seiner Eitelkeit: Er antwortete: "Ich bin besser als er. Mich hast Du aus Feuer erschaffen, und ihn nur aus Lehm." (Quran 38:76) Diese Selbsterhöhung wird daher als "Teuflisches Prinzip" bezeichnen, dessen schlimmste Form die Selbsterhöhung durch die Herkunft eines Menschen ist (wenn also eine Vorrangstellung etwa rassistisch begründet wird). Muslime lehnen daher jede Weltanschauung, deren Gedankenwelt auf "Herkunft" oder "Blut" basiert, ab.


Iblis ist also ein innerer Gegenspieler der Menschen, eine innere Versuchung. Ist damit etwa der chinesische Versuch gemeint, sich zur imperialen Großmacht zu erheben wie bei der Einmischung in Indonesien 1965? Die Clowns- bzw. Teufelsfigur spiegelt die Teilung des Bilds in zwei Hälften; zugleich könnten sie für die Ambivalenzen oder die Selbsterhöhung der anderen farbigen Figuren stehen.


Darstellungen des Iblis mit menschlichem und Tierkopf, z.T. auch mit mehreren Köpfen, finden sich z.B. hier:




Der Kunsthistoriker Michael Diers weist darauf hin, dass das wohl auf das 11. oder 12. Jh. zu datierende Mosaik des Jüngsten Gerichts an der Innenfassade der Kirche Santa Maria Assunta auf der Insel Torcello in der Lagune von Venedig Modell zum Bild von Taring Padi gestanden haben könnte. (Michael Diers: "Gegen den Strich", 2023.)


Dazu die Beschreibung des Bildes auf Wikipedia: In der Mitte kämpft ein mit Waage mit zwei Dämonen, die mit Haken bewaffnet sind, um eine Seele zu beurteilen (zu wiegen). Links befindet sich das Paradies mit einer Schar von Auserwählten und rechts die Hölle mit den Verdammten, darunter mehrere Barbaren sowie Prälaten und Kaiser, die im Höllenfeuer brennen, von kleinen blau geflügelten Dämonen gequält und von den beiden Engeln in Gegenwart des Satans auf einem Thron geschubst werden. Das Band darunter zeigt links das von Engeln bewachte Tor zum Garten Eden mit Madonna, Heiligen und Patriarchen in weißen Gewändern in einem Blumengarten; rechts befinden sich Tafeln mit Szenen höllischer Qualen der Verdammten, die nackt in Feuer und Finsternis leiden, und Schädel mit Schlangen.


Hier sind tatsächlich Ähnlichkeiten zum Bild von Taring Padi zu erkennen. Vielleicht ist die Figur in Torcello aber auch durch venezianisch-arabische Kulturkontakte oder die Kreuzzüge beeinflusst? Venedig wahrte gegenüber der islamischen Welt stets eine rationale Haltung und bewunderte ihre Kultur. Und Torcello betrieb seit dem frühen Mittelalter Fernhandel mit dem östlichen Mittelmeer.

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