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Apokalypse, Zoomorphismus, Tod und Wiedergeburt: Buddhistische Elemente im Bild von Taring Padi?

Autorenbild: Hans-Jürgen WeissbachHans-Jürgen Weissbach

Aktualisiert: 9. Nov. 2024

Das Bild „People‘s Justice“ lässt sich als Schlacht zwischen guten und bösen Mächten interpretieren, als Dualismus, wie er aus dem Buddhismus und Hinduismus bekannt ist. Die Figur des Weltenbaums oder -bergs weist darauf hin, dass das Bild auch von hinduistischen und buddhistischen Ideen geprägt ist. Zwar machen Buddhisten nur etwa 1 % der Bevölkerung des überwiegend islamischen Indonesien aus; dennoch haben Buddhismus und Hinduismus zahlreiche Spuren in der Gedankenwelt vor allem Ost-Javas, Balis und Lomboks hinterlassen, so dass man von einem religiösen Synkretismus sprechen kann.


Die bereits 1945 - zur Zeit des antikolonialen Kampfes - entworfene indonesische Staatsphilosopie "Pancasila" (Sanskrit: "panca" = fünf, "sila" = Regeln) basiert auf den folgenden fünf Regeln, die zum Teil dem buddhistischen Gedankengut entnommen wurden. Pancasila ist auch der Name der fünf Hauptregeln des Buddhismus.

* Glaube an einen einzigen Gott

· eine gerechte und zivilisierte Menschheit (Humanismus, Internationalismus)

· die Einheit Indonesiens (Nationalismus)

· eine von Beratung und Vertretung geleitete Demokratie (Weisheit, Gemeinnutz)

· soziale Gerechtigkeit für alle Indonesier

Zugleich war das Pancasila ein Gegenentwurf zu den fünf Säulen des Islam. Sukarno wollte damit verhindern, dass etwa Bali aus dem noch fragilen indonesischen Staatsentwurf austrat. Vertreter des Islam bewirkten 1945 zwar, dass die Religion statt der Einheit Indonesiens an die erste Stelle rückte, sie konnten jedoch nicht die Geltung der Scharia durchsetzen.


Die nach 500 v. Chr. entstandenen zyklischen Kosmologien des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus enthalten verschiedene Vorstellungen einer Apokalypse. Zugleich sind sie in ethischer Hinsicht durch ein dualistisches Weltmuster geprägt: den kosmischen Kampf zwischen Gut und Böse. Die Guten kommen nach dem Tod nach oben, die Schlechten nach unten. Auch als Tier kann man wiedergeboren werden. „Samsara“ ist die Bezeichnung für diesen Zyklus, aus dem der Mensch durch eine Erleuchtung oder ein Erwachen aussteigen kann, das Tier aber nicht.


Zunächst erscheint die Vorstellung eines zyklischen Weltbildes und einer ewigen Wiedergeburt als nicht vereinbar mit der Idee einer Endzeit, in der die letzte Schlacht zwischen Gut und Böse entschieden wird. Dennoch gibt es solche Vorstellungen auch im Buddhismus. Wir zitieren im Folgenden den Deutschlandfunk: (https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-welt-geht-unter-wer-geht-mit-100.html)


Michael von Brück: „Zyklisch bedeutet ja nicht, dass es nicht innerhalb eines Zyklus einen [,,,] ‚Geschichtspfeil’ gäbe, der tatsächlich – und das ist nun wieder den meisten buddhistischen und hinduistischen Kosmologien gemeinsam – […] zu einem Ende dieser Welt, entweder in einer Endschlacht oder in einer durch die Natur, letztlich natürlich durch die Gottheiten [...] verursachten großen Weltkatastrophe, einem Weltenbrand, endet. Aber wie gesagt: dann fängt’s wieder von vorne an.“

Als der Buddhismus im 2. nachchristlichen Jahrhundert nach China kam, vermischte er sich auf dem Weg dorthin mit anderen Religionsströmungen. Eine davon war der Manichäismus.

Michael von Brück: „Der Manichäismus ist eine persische Religion, [...] die sehr stark apokalyptisch orientiert ist. Die reden also von zwei Substanzen der Welt, dem Lichten und dem Dunklen, und drei Zeitaltern, nämlich dem reinen Zeitalter, wo das Göttliche und das Dunkle völlig getrennt sind, dann der Vermischung, das ist unsere gegenwärtige Zeit und – und das ist dann das apokalyptische – der Trennung beider, wo also das Licht von der Dunkelheit wieder geschieden wird. Solche Vorstellungen gehen auf altpersische Vorstellungen zurück, sie waren schon bei der Entstehung des Christentums als verschiedene gnostische Strömungen bekannt. […] Dieser [...] apokalyptische Hintergrund, der sich aus persischen und dann aber auch jüdisch-christlichen Traditionen speist, kam dann im Laufe der Jahrhunderte in den Buddhismus. […] Das Gute siegt in einer Endschlacht, in einer Apokalypse, die nun mit historischen Erfahrungen durchmischt wurde, nämlich den historischen Erfahrungen der Eroberungen durch den Islam.“

Seit dem 8. Jahrhundert erlebten die Bewohner Zentralasiens Überfälle islamischer Armeen. Dabei wurde auch das größte Buddhistische Zentrum Nalanda zerstört – ein Trauma in der Geschichte des Buddhismus, das unter anderem in dieser apokalyptischen Vorstellung seinen Niederschlag findet.

Michael von Brück: „Diese muslimische Invasion und Zerstörung des Buddhismus löste dann bei Buddhisten […] apokalyptische Vorstellungen aus. Und das hat sich dann durch die Geschichte hindurchgezogen, hat sich dann mit dem berühmten Shambala-Mythos verknüpft, so dass man glaubte: Am Ende der Welt wird ein Diktator die ganze Welt erobern, außer dem reinen Land Shambala. Der König dieses reinen Landes Shambala (…) wird eine große Armee aufstellen, und dann dieses Böse besiegen. […] Im Tibet des 19. Jahrhunderts hat man diesen Mythos dann bemüht, um den Kampf Russlands gegen England in Zentralasien zu legitimieren und vorherzusagen. Und in den 20er-Jahren hat der Befreiungskampf der Mongolen von diesem Mythos gezehrt, also man hat diesen Kampf als Endkampf stilisiert und damit legitimiert. Er hat also in der tatsächlichen Geschichte immer wieder eine Rolle gespielt und hat eindeutige apokalyptische Hintergründe.“


Es ist also nicht unplausibel, dass das Künstlerkollektiv Taring Padi das Motiv der Apokalypse, welches sich nicht nur in der christlichen Kunst findet, bewusst als Symbol des antikolonialen Kampfes und des Kampfes gegen die Diktatur verwendet hat. Links oben sieht man die Spuren eines Weltenbrands mit dem thronenden Diktator Suharto. In der Mitte des Bildes vermischen sich Gut und Böse.


In diesem Zusammenhang ist vielleicht zu erklären, welche Bedeutung die zoomorphen Figuren haben. Der Buddhismus macht keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Erlösungsfähigkeit von Mensch und Tier. Zwar sind Mensch und Tier nicht gleichwertig; jedoch bilden Tiere einen der fünf oder sechs Daseinsbereiche bzw. Existenzformen, in der innerhalb des Kreislaufes eine Wiedergeburt stattfinden kann. Die anderen Daseinsformen (Höllen, Hungergespenster, Götter und Halbgötter), sind der menschlichen Erfahrung nicht zugänglich. Die Existenzform als Tier ist allerdings wenig günstig, weil Tiere nicht das Erwachen erlangen können. Jedoch sind sie wie der Mensch empfindungs- und leidensfähige Wesen und nehmen am Geburtenkreislauf teil; ihnen gegenüber ist ethisches Verhalten geboten. Es gilt in der buddhistichen Tierethik die Forderung, sie nicht zu verletzen („Ahimsa“). Vor allem die Tötung eines Tieres bleibt nicht folgenlos.

2006).


Es handelt sich bei der Darstellung von Menschen mit Tierköpfen also nicht notwendig um ein Schmähbild. Man kann man die angeklagten Tiergestalten im Käfig auf dem Gipfel des Weltenbergs oder -baums und die anderen zoomorphen Figuren – etwa der von uns als Colin Powell gedeutete schweinsköpfige Mann oder der gelbe Clown mit den Wolfsohren - als zwar unerleuchtete, aber leidensfähige und leidende Figuren betrachten, die ihre Chance auf eine Wiedergeburt (und auf eine gerechte Behandlung durch das Gericht) behalten.


In der mittelalterlichen und modernen europäischen Kunst steht das Schwein bzw. Schweinsgesicht übrigens oft für Korruptheit. So in George Grosz' "Sonniges Land* (1920) für die Kriegsgewinnler. Siehe https://images.app.goo.gl/t5b9zg3nomrc19cj9

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Henry Urmann
22 de set. de 2023

Taring Padi greifen auch in der Gestaltung ihres Logos auf die symbolischen Verkörperungen der Pancasila-Elemente im indonesischen Staatswappen zurück. Durch Weglassen einiger Elemente (Wasserbüffel, Banyanbaum) bekennen sie sich zu der von Sukarno 1945 zuerst und erneut 1959 vorgeschlagenen Verdichtung auf drei Prinzipien. Dies wird als sozialdemokratische Auslegung der Pancasila bezeichnet (aus B. Damshäuser/W.Brehm "Mythos Pancasila", 2022). Während das Pancasila-Wappen zugleich eine austarierte Geschlechterbalance aufweist, betont das Taring Padi-Logo durch weitere Auslassungen (die Baumwolle, eckige Kettenglieder) die weiblichen Anteile, auch der Schriftzug des Logos hat eine feminine Anmutung. Für mich zeigt das nochmal, dass sie sehr genau wussten, was sie tun. Ich bin aber auch relativ sicher, dass nicht alle damaligen Mitglieder von Taring Padi über das Logo mitbestimmt haben und…

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