Von Henry Urmann (mit KI-Unterstützung)
Die neuere Kunst Südostasiens ist eine Kunst des Volkes und für das Volk. In einer Region, geprägt von Kolonialismus, sozialem Wandel und politischer Repression, hat sich ein Kunststil entwickelt, der ästhetischen Ausdruck mit gesellschaftlichem Engagement verbindet. Diese Form der Kunst ist nicht nur ein Spiegel der turbulenten Geschichte der Region, sondern auch ein Werkzeug des Widerstands und der Gemeinschaftsbildung. Zwei Werke, die dieses Phänomen beleuchten, sind Iola Lenzis "Power, Politics and the Street: Contemporary Art in Southeast Asia After 1970" (Lund Humphries 2024) und Elly Kents "Artists and the People: Ideologies of Art in Indonesia: Ideologies of Art in Indonesia" (University of Chicago Press 2022) Beide Autorinnen stellen Künstler und Bewegungen vor, die den Dialog mit den Menschen suchen und Kunst als sozialen und politischen Katalysator verstehen.
Iola Lenzi, Kunsthistorikerin und Kuratorin in Singapur, untersucht in ihrem Werk*, wie südostasiatische Künstler auf die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen ihrer Zeit reagiert haben. Sie spricht von einer "Ästhetik der Handlung", die sich durch subtile, oft partizipative Ausdrucksformen auszeichnet. Die Künstler, die Lenzi porträtiert, greifen aktuelle und historische Themen auf, um das Publikum in die Diskussion einzubeziehen. Eines ihrer zentralen Beispiele ist FX Harsono, ein indonesischer Künstler, dessen Werke sich mit den Themen Identität und Erinnerung auseinandersetzen. Seine Installation "Voice Without Voice/Sign" (1993–94) lädt die Betrachter ein, aktiv mitzuwirken und so symbolisch ihre Stimme in einem repressiven Umfeld geltend zu machen. Lenzi betont, dass diese Kunst nicht mit westlichen Kategorien wie sozialer Skulptur oder relationaler Ästhetik zu greifen ist. Stattdessen handelt es sich um eine eigenständige Ausdrucksform, die tief in den sozialen und politischen Realitäten der Region verwurzelt ist.
Ein weiteres Beispiel in Lenzis Buch ist Redza Piyadasa, ein malaysischer Künstler, der die ethnischen Konflikte seiner Heimat thematisiert. Sein Werk "May 13, 1969", ein bemalter Sarg mit der malaysischen Flagge, verweist auf die blutigen Unruhen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen in Malaysia. Solche Kunstwerke, so Lenzi, fordern das Publikum heraus, sich mit der Geschichte und den sozialen Spannungen ihrer Umgebung auseinanderzusetzen. Die von ihr vorgestellten Künstlergruppen wie die Gerakan Seni Rupa Baru in Indonesien oder die Artists’ Front of Thailand nutzten den öffentlichen Raum, um mit ihren Werken politische und soziale Missstände anzuprangern. Ihre Arbeiten waren weniger plakative Parolen als stille, aber kraftvolle Interventionen.
Elly Kent verfolgt in ihrem Buch einen anderen Ansatz, der die Verbindung zwischen Kunst und Gemeinschaft hervorhebt. Kent, eine Spezialistin für indonesische Kunst, legt den Fokus auf die Praxis des "Gotong Royong", ein traditionelles Konzept des gegenseitigen Helfens, das tief in der indonesischen Kultur verwurzelt ist. Sie beschreibt, wie Künstler wie Tisna Sanjaya dieses Prinzip in ihre Werke integrieren. Während der COVID-19-Pandemie kombinierte Sanjaya humanitäre Hilfe mit Performance-Kunst. Er verteilte Masken und Lebensmittel an bedürftige Dorfbewohner und schuf damit eine Kunstform, die weit über die reine Ästhetik hinausgeht. Kent zeigt, dass diese Kunst nicht nur ein Mittel des Selbstausdrucks ist, sondern ein Werkzeug, um Gemeinschaften zu stärken und soziale Verantwortung zu übernehmen.
Ein weiterer von Kent vorgestellter Künstler ist I Wayan Sujana, bekannt als Suklu. Seine partizipative Kunst betont den Prozess über das Endprodukt. Suklu ermutigt das Publikum, aktiv in seinen kreativen Prozess einzutreten, wodurch die Trennung zwischen Künstler und Betrachter aufgehoben wird. Kent zeigt auf, wie diese interaktive Herangehensweise die traditionelle Vorstellung von Kunst infrage stellt und stattdessen den Dialog in den Mittelpunkt rückt. Diese Form der Kunst betont das Gemeinsame und verweist auf die Verantwortung des Einzelnen innerhalb der Gesellschaft.
Die beiden Bücher ergänzen sich in ihrer Darstellung der Kunst Südostasiens. Während Lenzi die politische Dimension betont, legt Kent den Schwerpunkt auf soziale und kulturelle Aspekte. Beide Autorinnen machen jedoch deutlich, dass Kunst in dieser Region eine Funktion übernimmt, die weit über das hinausgeht, was in westlichen Kunstdiskursen oft verhandelt wird. Sie ist kein autonomes Objekt, sondern ein lebendiges Medium, das Gemeinschaften aktiviert und Machtstrukturen hinterfragt.
Die historische Verankerung dieser Kunst in der jüngeren Geschichte ist unübersehbar. Ereignisse wie die indonesischen Massenmorde von 1965 oder das Massaker an der Thammasat-Universität in Thailand 1976 haben nicht nur politische, sondern auch künstlerische Resonanzen hinterlassen. Künstler reagierten auf diese Ereignisse, indem sie neue Formen und Ausdrucksmittel entwickelten, die die Realitäten ihrer Zeit widerspiegelten.
Die Kunst Südostasiens fordert uns heraus, unseren Blick auf Ästhetik und Gesellschaft zu erweitern. Sie fragt nicht nur, was Kunst ist, sondern was Kunst bewirken kann. In einer Welt voller sozialer und politischer Herausforderungen zeigt sie Modelle des Miteinanders, des Dialogs und der Hoffnung auf. Die von Lenzi und Kent vorgestellten Werke machen deutlich, dass Kunst in Südostasien nicht nur ein Spiegel, sondern auch ein Werkzeug des Wandels ist.
Bio von Elly Kent unter https://researchportalplus.anu.edu.au/en/persons/elly-kent
Bio von Iola Lenzi unter http://sipf.sg/professional/iola-lenzi/
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