Wenn man das Bild von Taring Padi als manichäischen Endzeitkampf interpretiert, liegt man vermutlich falsch. Schon die Struktur des Bildes als Triptychon verweist auf eine Drei-, nicht auf eine Zweiteilung der Szene. In der Mitte befindet sich ein Läuterungsberg, eine Art Purgatorium. Dazu sind auch die bunten clownesken Figuren zu rechnen. Gegenüber der Trostlosigkeit der Hölle dominieren hier Buße und Hoffnung der Sünder, und die Strafen sind endlich, wenngleich sie auch 500 Jahre und länger dauern. Wie Dantes Commedia zieht auch das Bild von Taring Padi alle Stilregister vom Pathetischen über das Komische bis zum Obszönen. In Dantes Purgatorium hängen Untaten und Strafen in paradoxer Verkehrung miteinander zusammen. Das ist bei einigen Figuren auch im Bild von Taring Padi zu finden.
Interessant ist auch die Analogie zum Mahabharata, dem indischen Großepos, in dessen Mittelpunkt die 18-tägige mythische Schlacht von Kurukshetrat steht. Dieses Epos ist auch in Java seit 1000 Jahren bekannt und spielt eine Rolle beim Wayang. Indonesische Maler wie Hendra Gunawan haben immer wieder Szenen aus dem Mahabharata gemalt (Bildbeispiel: https://www.artnet.com/artists/hendra-gunawan/pandawa-dadu-the-dice-game-from-the-mahabharat-aa-Lnkdk6DDKyJTSntAG6wBEA2 Das Würfelspiel aus dem Mahabharata, 1971). Und auch Taring Padi kennen diese ikonischen Bilder.
Krishna, der Wagenlenker König Arjunas, trifft auf Karna (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Arjuna_and_His_Charioteer_Krishna_Confront_Karna.jpg) Unbekannter Künstler, Indien um 1820
Krishnas Widersache Karna, der Ratgeber des großen Königs Duryodhana, gehört zu den populärsten und komplexesten Charakteren des Mahabharata, der im Laufe der Geschichte sowohl Edelmut als auch Bösartigkeit zeigt. Im folgenden Artikel betrachtet der Guru Sadhguru den Grund für den Untergang der tragischen Figur – seine Bitterkeit aufgrund seiner Identitätsprobleme, seiner Herkunft.
Sadhguru: "In Indien gibt es für Menschen, die mit dem Mahabharata vertraut sind, eine ganze Kultur, in der Karna eine Art Anti-Held ist. Er ist eine süße Mango, die schlecht geworden ist. Er war ein wundervolles menschliches Wesen, das völlig verdorben wurde, weil er in Bitterkeit investierte. Seine Verbitterung führte ihn in eine katastrophale Lebensgeschichte. Er war ein Mann mit einem phänomenalen Sinn für Integrität und Großzügigkeit, aber all dies ging verloren. Er starb im Kampf auf eine schlimme Weise.
Er war voller Groll, weil er nicht wusste, wessen Kind er war. Aber die Menschen, die ihn aufgezogen haben, taten dies mit größter Liebe. Seine Pflegeeltern, Radha und Athiratha, liebten ihn über alle Maßen und erzogen ihn sehr gut, so wie sie es konnten. Er erinnerte sich immer daran, wie sehr ihn seine Mutter liebte. „Das ist ein Mensch, der mich so geliebt hat, wie ich bin“, sagt er. Aufgrund seiner Kompetenz und dem Willen des Schicksals wurde er Angaraja – der König von Anga. Er erhielt viele Dinge und bekam einen Posten und einen Platz im Palast. In vielerlei Hinsicht war er auch der Gehilfe eines großen Königs. Duryodhana schätzte ihn und nahm Ratschläge von ihm an. Er hatte alles, was das Leben bieten konnte. Wenn man sich sein Leben ansieht, dann ist es Tatsache, dass er der Sohn eines Wagenlenkers war, der zum König wurde. Er hätte wirklich glücklich sein müssen. Ein Kind, das auf dem Wasser treibend gefunden wird, wächst heran und wird ein König. Ist das nicht eine wunderbare Sache? Aber nein, er hat seine Verbitterung nicht aufgegeben. Er war immer unglücklich und elend, weil er sich nicht damit abfinden konnte, als was man ihn bezeichnete. Überall, wo er hinkam, wurde er wegen seines Ehrgeizes als „suta“ oder „niedriggeboren“ bezeichnet. Sein ganzes Leben lang beklagte er sich darüber. Die ganze Zeit über nährte er in sich Bitterkeit über seine sogenannte niedere Geburt.
Diese Bitterkeit machte aus einem wunderbaren Menschen eine so böse und hässliche Figur im Mahabharata. Er war ein großartiger Mensch und zeigte seine Größe in verschiedenen Situationen, aber wegen dieser Bitterkeit war er es, der in vielerlei Hinsicht alles falsch machte. Für Duryodhana spielte es keine Rolle, was Shakuni sagte oder tat, es war immer Karnas Rat, der das Abkommen besiegelte. Nachdem alles entschieden war, sah er stets Karna an: „Was sollen wir tun?“ Karna hätte der ganzen Geschichte sehr leicht eine andere Wendung geben können."
"Wie in allen hinduistischen Epen sind auch im Mahabharata Gut und Böse nicht polarisiert: Die „Bösen“ zeigen immer auch gute, liebenswerte Eigenschaften, wogegen die „Guten“ auch Schwächen haben und notfalls zu List und Lüge greifen: So gilt etwa Yudhishthira, der Älteste der fünf Pandava-Brüder, als Verkörperung von Dharma, der Rechtschaffenheit. Im verzweifelten Kampf in Kurukshetra spricht er trotzdem eine bewusste Lüge, damit der unbesiegbare Drona seine Waffen endlich niederlegt und geschlagen werden kann. Daraufhin senkt sich sein Kampfwagen, welcher bis dahin immer darüber geschwebt ist, auf die Erde hinab. Diese Lüge trägt schließlich auch dazu bei, dass die große Schlacht, weit jenseits jeglicher Kriegerehre, in einem Blutbad endet." (Wikipedia) Auch Krishna gilt als lügnerisch und hinterhältig. Doch es handelt sich nicht um ein Endzeitdrama, es gibt Überlebende...
Das Mahabharata wurde früh, etwa um das Jahr 1000, ins Javanische übersetzt . Als "Bharatayuddha" spielte es in der indonesischen Schrift- und Bildkultur und im javanische Wayang eine große Rolle, wobei es durch weitere Figuren angereichert und der Schauplatz nach Java verlegt wurde.
Nach unserer Auffassung handelt es sich bei der skandalisierten, jüdisch markierten Figur auf den Bild von Taring Padi um Henri Kissinger, einen Menschen, der wegen seiner Herkunft zum Verfolgten, aber später zum Mit-Anstifter katastrophaler Gemetzel wurde.
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