Bericht über ein Symposion der TU Berlin über Antisemitismus in der Kunst
- Hans-Jürgen Weissbach
- 25. Dez. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. März
Aus diesem recht objektiven Bericht des Tagesspiegel hier nur zwei Zitate mit unseren Anmerkungen:
1.
"Leon Kahane verweist in seiner Analyse auf Antisemitismus als Kulturtechnik des Sündenbocks, die in dem Bild manifest wird. Die Welt in hell und dunkel eingeteilt, die Juden als Drahtzieher kapitalistischer Ausbeutung." (Tagesspiegel)
Kahan widerholt hier nur gebetsmühlenartig, was viele Kritiker und auch die Gutachter in ihrem Abschlussbericht zur documenta postuliert haben. Doch schon die Struktur des Bildes als Triptychon weist darauf hin, dass es sich hier nicht um ein manichäisches Weltbild handelt. Analog zu Dantes Göttlicher Komödie kann man eine Dreiteilung des Bildes erkennen: links die Hölle, in der Mitte das Fegefeuer mit den Gestalten, über die das Gericht noch nicht gesprochen wurde, rechts das Paradies. Die clownesken Figuren, unter denen wir auch Kissinger identifizieren, gehören demnach zum Fegefeuer. Das Bild enthält nicht nur tragische (Krieg, Genozid, Sklavenarbeit links) und lyrisch-bukolische (Kinder, Indigene, Natur rechts), sondern auch derb-komische Szenen (die Bösewichte links der Mitte) wie auch Dantes Commedia.
2.
"in Indonesien begründete Diktator Suharto seinen Rücktritt 1998 nach langen blutigen Studentenprotesten mit einer jüdischen, finanzkapitalistischen Verschwörung. Diese Feindbilder landeten, vermischt mit Verweisen auf westliche Kollaborateure, im Bild von Taring Padi." (So Dorothee Wimmer laut Tagesspiegel)
Das Bild, das den Sturz Suhartos thematisiert, markiert Kissinger als jüdischen Menschen, also als einen aus rassistischen Motiven Verfolgten der Nazis, der sein Jüdisch-Sein zur Zeit des Antisemiten Richard Nixons unseres Wissens nie mehr thematisiert hat (daher die als solche kaum erkennbaren geglätteten Schläfenlocken und die halb verborgene Kippa), zugleich aber erscheint er im Business-Dress als Helfer Suhartos, Drahtzieher des Genozids in Osttimor sowie als Aufsichtsrat eines großen Bergbaukonzerns, der für Verbrechen in Papua verantwortlich war (siehe die goldenen Sklavenarbeiter links im Bild).
Natürlich gibt es Antisemitismus auch in Indonesien. Er ist jedoch sehr abstrakt, da es dort keine zahlenmäßig relevante jüdische Gemeinschaft gibt (die Gesamtanzahl der jüdischen Gemeindemitglieder in Indonesien wird vom Jüdischen Weltkongress mit 25 angegeben). Wenn überhaupt entzündet er sich vor allem an den wiederkehrenden Zuspitzungen des israelisch-palästinensischen Konflikts. Suhartos Erzählung von der jüdischen Verschwörung gegen ihn ist reine Phantasie und appelliert an diese Vorurteile, während er bei seiner Machtergreifung selbst von Israel unterstützt wurde.
Taring Padi anzulasten, sie würden mit ihrem Bild dieser Erzählung folgen, ist absurd, haben ihre Aktionen doch mit zu Suhartos Sturz beigetragen.
Siehe auch den Blogbeitrag vom 10. Dezember 2024: Kissinger - Held oder Bösewicht?
sowie den Artikel von Aram Ziai
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